Plötzlich ist wieder Weihnachten. Für viele nicht wirklich ein Weihnachtsmärchen.
In den vergangenen Tagen höre ich viele Menschen mit Erschrecken sagen: „Stell dir vor, in vier Wochen ist schon Weihnachten und das Jahr bald wieder vorbei. Die Zeit rast echt immer schneller.“ Ich selbst kannte dieses Gefühl auch viele Jahre.
Unser Leben rauscht fast unmerklich an uns vorbei. Ein Tag ist wie der andere, wir arbeiten, treffen uns mit Freunden, gehen Shoppen, pflegen unsere Hobbies und sorgen für die Familie. Doch allabendlich haben wir das Gefühl, dass der Tag viel zu kurz war und dass wir nicht alles geschafft haben, was wir gerne erledigen wollten. Die Wochen verstreichen, die Monate und die Jahreszeiten. Wir merken gar nicht, wo unsere Zeit bleibt. Wir nehmen uns vieles vor, oft zu viel, und sind dann enttäuscht, nicht alles geschafft zu haben.
Unser Leben soll am besten wie geplant und vollautomatisch ablaufen
Ereignisse wie Weihnachten oder der Geburtstag der Kinder reißen uns aus unserem Trott und machen uns klar, wie viel Zeit schon wieder vergangen ist. Mit Entsetzen stellen wir dann fest, dass wir kaum gemerkt haben, wie schon wieder ein Vierteljahr vergangen ist. Unser Leben ist oft durchoptimiert und solange unsere Pläne keine Störung erfahren, läuft alles wie geplant und vollautomatisch. Die Automatisierung sorgt ebenfalls dafür, dass wir immer schneller an Waren, an Informationen und Leistungen kommen. Wir Menschen kommen mit der Geschwindigkeit, in der Maschinen Arbeit erledigen, nicht mehr mit. Was uns ursprünglich das Leben erleichtern sollte, sorgt für immer mehr Beschleunigung. Computer werden immer schneller, nur der Mensch hält der rasanten Entwicklung nicht stand. Wir bräuchten den Menschen 2.0, jedoch kommt die Evolution nicht hinterher.
Die Beschleunigung nimmt stetig zu. Wir sind immer und überall zu erreichen. Informationen und Nachrichten erreichen uns rund um die Uhr. Wir arbeiten zu allen erdenklichen Tages- und Nachtzeiten, Einkaufen können wir an jedem Tag des Jahres rund um die Uhr und weder Tages- noch Jahreszeiten schränken unsere Aktivitäten ein. Shoppingcenter sind überdacht und gut beleuchtet, Skihallen ermöglichen selbst im Hochsommer den ungetrübten Skigenuss und Transportsysteme ermöglichen es, alle Waren zu jeder Zeit frisch zu erhalten.
Das Gefühl, keine Zeit zu haben, verbreitet sich durch alle Schichten der Gesellschaft und immer mehr Menschen steigen aus der Beschleunigung aus, indem sie krank werden. Depression und Burnout sind auf dem Vormarsch, die Zahl der Neuerkrankungen steigt, während das Einstiegsalter sinkt. Bereits Schüler fallen immer öfter mit entsprechenden Symptomen aus. Die Frage, ob jemand im Burnout-Zyklus zu finden ist, stellt sich kaum noch, sondern eher die Frage, an welcher Stelle er schon steht. Burnout ist beinahe in Mode, gilt er doch als Krankheit der Macher. Wer Burnout hat, muss vorher geleistet haben. Die wenigsten wissen, dass Burnout eine lebensbedrohliche Erkrankung ist und die völlige körperliche und geistige Erschöpfung bedeutet.
Natürlich gibt es Möglichkeiten, diesen Zuständen entgegen zu wirken. Daher stellen wir uns zunächst die Frage, haben wir wirklich zu wenig Zeit, nutzen wir unsere Zeit zu ineffektiv, oder woran liegt das sonst?
Zeit ist relativ, das wissen wir seit Einstein. Zeit ist aber auch subjektiv und hierin liegt eine echte Chance zur Veränderung. Wir gehen sehr unachtsam mit unserer Zeit um. Unser Autopilot sorgt dafür, dass wir den überwiegenden Teil unsere Aufgaben von ganz alleine und automatisch erledigen. Während wir eine Tätigkeit ausführen, sind wir mit unseren Gedanken schon beim nächsten Projekt, planen das Wochenende oder wälzen Geschehnisse der vergangenen Tage. Bei dem, was wir gerade machen, sind wir nicht wirklich präsent. Genau darin liegt die Schwierigkeit.
Wir sind selten wirklich präsent bei dem, was wir gerade jetzt erleben
Die Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft, das ist der gegenwärtige Moment. Nur in diesem Moment findet reales Leben statt. Nur in diesem Moment können wir real handeln, Entscheidungen treffen und das Leben spüren. Wir sind selten wirklich präsent bei dem, was wir gerade erleben. In Gedanken eilen wir voraus und planen oder schwelgen gedankenversunken in Erinnerungen. Oft lassen uns schlechte Erlebnisse der Vergangenheit nicht los oder wir werden geplagt von Zukunftsängsten. Dies alles lässt uns den gegenwärtigen Moment verpassen.
Wenn wir von Moment zu Moment leben, haben wir eine Chance, das Geschehen in seiner vollen Tiefe zu erfassen und die Zeit wieder wahrzunehmen. Viele schöne Begebenheiten verpassen wir, weil wir mit dem Kopf schon wieder in der Zukunft sind oder in Gedanken in der Vergangenheit. Was uns gerade im Moment begegnet, verpassen wir durch dieses Verhalten. Die Zeit rast also nicht, sondern wir nehmen einfach nicht wahr, was wir alles erledigen und was uns begegnet. Gedankenversunken laufen Sie an einem kleinen Kind vorbei. Es möchte uns mit seinem Lachen erfreuen und uns glücklich machen. Wir sehen es nicht, weil wir gedanklich in der Zukunft hängen. Ein Mensch will uns ansprechen, wir nehmen es gar nicht wahr, weil wir grübeln. Diese Momente sind vorbei und kommen nicht wieder.
Viele wichtigen Momente in unserem Leben verschenken wir einfach
Das Leben hat viele Facetten. Wir sollten versuchen, jede wahrzunehmen. Viele Momente in unserem Leben verschenken wir, weil wir unachtsam sind und nicht gegenwärtig. Solange Sie in Gedanken sind, Grübeln oder Planen, können Sie den Moment nicht wahrnehmen. Jeder kennt die Situationen: Wir unterhalten uns und denken gleichzeitig über eine andere Sache nach. Hinterher wissen Sie oft nicht, was Ihr Gegenüber erzählt hat und eine Lösung für Ihr Problem haben Sie auch nicht.
Wenn Sie versuchen, den Moment in seiner vollen Gänze zu erforschen, jedes Detail wahrzunehmen und präsent zu sein, werden Sie Ihr Leben bereichern. Dinge, die Sie sonst im Autopilotenmodus erledigen, haben eventuell noch ganz andere Auswirkungen. Sie nehmen diese nur dann wahr, wenn Sie im Moment sind. Ihr Entscheidungsspielraum erweitert sich und Sie werden selbstbestimmter. Eventuell stellen Sie auch fest, dass sich eine Situation verändert hat und dass Ihre automatischen Reaktionsmuster längst nicht mehr angemessen sind. Das wäre dann ungefähr so, als hätten Sie Kleidung an, aus der Sie längst herausgewachsen sind.
Wie aber können wir in den Moment kommen?
Eine gute Hilfe, sich in den Moment zurückzuholen, ist das „Achtsame Atmen.“ Für mich liegt der Vorteil im Achtsamen Atmen darin, dass wir nichts machen müssen, was wir nicht sowieso schon machen – Atmen. Der Unterschied liegt in der Achtsamkeit. Wir atmen den ganzen Tag, unser ganzes Leben lang. Aber wir achten nicht darauf. Wir können uns darauf verlassen, dass der Atem da ist. Darauf zu achten, bringt uns in den Moment zurück. Den Autopiloten von Zeit zu Zeit abzuschalten ist Sinn der Achtsamkeit, durch das Atmen können Sie sich zentrieren. Wenn Sie merken, dass Sie sich in etwas hineinsteigern oder dass Sie kopflos werden vor Euphorie, dann hilft das achtsame Atmen, sich wieder einzufangen und ins Jetzt zurückzubringen.
Der Atem ist für mich wie ein Anker
Er verbindet mich mit der Gegenwart, wenn ich mal wieder im Autopilotenmodus unterwegs bin. Der Atem ist ein Zufluchtsort, der immer bei uns ist. Egal wo wir gerade sind, ob wir laufen oder stehen, im Bus oder Flugzeug sitzen, der Atem ist immer da. Nehmen wir Verbindung auf, sind wir sofort im Jetzt. Im Folgenden möchte ich Ihnen eine einfache Methode vorstellen:
- Halten Sie inne, sagen Sie innerlich ganz bewusst: „Stopp!“ Nehmen Sie bewusst eine aufrechte und würdevolle Position ein. Sammeln Sie Ihre Aufmerksamkeit im jetzigen Moment. Wenn es für Sie angenehmer ist, können Sie die Augen schließen.
- Fragen Sie sich selbst, wie es Ihnen gerade geht, was spüren Sie in Ihrem Körper, welche Gefühle sind gerade da, was für Emotionen sind vorherrschend, welche Gedanken sind gerade da. Machen Sie eine innere Bestandsaufnahme, ohne zu bewerten, ohne das, was Sie spüren, abzulehnen – einfach nur wahrnehmen und registrieren. Egal ob das, was Sie gerade spüren, angenehm oder unangenehm, gewollt oder nicht gewollt ist, nehmen Sie es einfach wahr. Alles darf genau so sein, wie es jetzt gerade ist.
- Nachdem Sie nun in sich hineingespürt haben, richten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit entschieden aber liebevoll und alles akzeptierend auf Ihren Atem. Fühlen Sie Ihren Atem. Folgen Sie Ihrem Atem von Beginn des Einatmens bis zum vollständigen Ausatmen. Begleiten Sie Ihren Atem, ohne aktiv etwas zu verändern. Bleiben Sie präsent, Atemzug für Atemzug. Verbinden Sie sich durch Ihren Atem bewusst mit dem Hier und Jetzt.
- Erweitern Sie nun langsam Ihre Aufmerksamkeit von Ihrem Atem ausgehend auf Ihren ganzen Körper, spüren Sie Ihren Körper, Ihre Haltung, den Gesichtsausdruck.
- Halten Sie auf diese Weise Ihren Körper für einen Augenblick. Bleiben Sie für einige Atemzüge in voller Präsenz bei Ihrem Körper und Atem. Jetzt nehmen Sie einen tiefen Atemzug und strecken sich etwas. Bewahren Sie sich Ihre Achtsamkeit, so lange Sie können.
Wie auch immer Sie anfangen zu üben, es lohnt sich und Sie werden entspannter, je besser Sie sich kennenlernen.
Ich wünsche Ihnen ein mutiges und erfülltes Leben voller schöner Momente.
Dirk Schaller
Mehr zu dem Wirken und den Angeboten von Dirk Schaller unter: www.leipziger-ideen-schmiede.de
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