Wie wir mit gelebter Aufmerksamkeit die Verbindung zu anderen stärken
Wer anfängt, sich in Achtsamkeit zu üben, stellt fest, wie tief verankert Multitasking schon in uns ist. Wie selten konzentrieren wir uns beim Essen wirklich nur auf das Essen, beim Gehen nur auf das Gehen und beim Zuhören erst…
Achtsamkeitsübungen helfen uns, ganz bei uns zu sein, was immer auch die äußere Situation sein mag. Und sie schaffen noch mehr: Wer achtsam nicht nur mit sich selbst, sondern auch im Austausch mit seinen Mitmenschen handelt, stellt fest, wie Beziehungen daran wachsen. Sei es in der Partnerschaft, mit Freunden oder am Arbeitsplatz. Denn dass wir heutzutage auf allerhand Kanälen kommunizieren, bedeutet noch lange nicht, dass wahrhafte Kommunikation stattfindet. Wie oft ertappen wir uns dabei, nur abzuwarten, bis der andere ausgeredet hat? Dabei sind wir vielleicht still und nicken, doch im Kopf sind wir längst schon dabei, eine Antwort zu formulieren.
Ziel eines achtsamen Miteinanders ist Kommunikation
Das ist okay. Die meisten Menschen finden erst einmal interessanter, was sie zu sagen haben, als was der andere zu sagen hat. Das Ego ist schließlich schon lange auf Selbstverteidigung getrimmt. Wir wollen uns Gehör verschaffen. Wollen, dass der andere unseren Wert anerkennt. Doch eine Kommunikation, in der sich beide mehr oder weniger geduldig dem Wortschwall des anderen aussetzen, bietet keine Verständigung. Sie führt im schlimmsten Fall zu Missverständnissen und Streit. Ziel eines achtsamen Miteinanders ist Kommunikation, von der beide Seiten profitieren. Von der beide Seiten lernen und an der sie wachsen. Diese Art von Austausch schafft eine tiefere Verbindung – zum Lebenspartner oder dem netten Menschen in der Bahn. Dabei geht es darum, Raum zu geben, um gemeinsam etwas zu erschaffen.
Der wichtigste Mensch
Das bedeutet, den Gegenüber so zu nehmen, wie er ist. Ihn zu respektieren und ihm zuzuhören. Im Sinne von: Wirklich zuhören. Meister Eckardt sagte: „Immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenüber steht.“ So ist es. So darf er behandelt werden – wer auch immer es ist. Das hilft nicht nur ihm, der sich angenommen und ernst genommen fühlt. Das hilft auch uns, die bei jedem Gespräch etwas dazu lernen können. Denn jeder, der uns je begegnet, weiß etwas, das wir nicht wissen. Also können wir neugierig sein. Wir beginnen Sie das Gespräch mit der Absicht, zu lernen und zu wachsen. Soviel zur Theorie.
Die Praxis sieht etwas schwieriger aus. Denn selbst, wenn wir uns für gute Zuhörer halten: Sobald wir anfangen, achtsame Kommunikation zu praktizieren, stellen wir fest: Wie oft sind wir, während der Andere redet, in Gedanken schon bei unseren eigenen Argumenten. Um der sich der achtsamen Kommunikation zu nähern, fangen wir am besten bei uns selber an. Achtsamkeit lässt sich immer und überall üben – wenn wir sie uns nur ins Gedächtnis rufen. Unter der Dusche nur das warme Wasser genießen, anstatt schon drei Schritte weiterzudenken. Beim Frühstück den Duft des Kaffees riechen, die Schwere der Tasse in der Hand spüren und die Dampfwolken beobachten. An der Ampel stehen und einfach wahrnehmen, was ist. Auch Meditation ist ein machtvolles Werkzeug, um den kleinen Affen im Kopf ruhig zu stellen.
Humor und rechte Rede
Im nächsten Schritt können wir uns überlegen: Wie reden wir eigentlich mit uns selbst? Muntert die innere Stimme uns auf, wenn wir schlechte Laune haben? Beschimpft sie uns wüst, wenn uns etwas misslingt? Auch hier ist es jederzeit möglich, zu üben. Wir müssen einfach unseren Gedanken zuhören und darauf lauschen, was sie zu sagen haben. Dadurch lernen wir uns selbst besser kennen und die Basis für einen wichtigen Schritt ist gelegt. Den, in dem wir unser eigener Freund werden. Jedes Mal, wenn uns etwas misslingt oder wir Kritik an uns üben, können wir uns fragen: Würde ich so auch mit meinem Freund reden? Würde ich ihn nicht vielmehr aufmuntern, als ihn einen Idioten zu nennen? Auf dem Weg zur Freundschaft mit sich selbst ist auch Humor ein probates Mittel. Wenn wir ungeschickt am Morgen die Kaffeetasse fallen lassen – von außen betrachtet ist es lustig. Wollen wir uns nicht lieber darüber amüsieren, als uns über das Missgeschick zu ärgern?
Für achtsame Kommunikation können wir uns auch beim Buddhismus bedienen. Der Grundsatz der „Rechten Rede“ bietet prima Anstöße: Was wir sagen, soll Vertrauen, Harmonie und Ruhe erzeugen. Denn schließlich nehmen wir damit Einfluss auf die Welt. In der Praxis bedeutet das, die vier Arten der schädlichen Rede zu vermeiden: Nicht lügen, nicht entzweien, nicht verletzen und nicht sinnlos schwätzen.
Kleine Übungen mit großer Wirkung
Wer dranbleibt und sich immer wieder erinnert, wird schnell schon Fortschritte feststellen: Er gerät weniger in Konflikte, macht sich weniger Sorgen und wird ruhiger. Schließlich können wir die Achtsamkeit im Gespräch trainieren: Nicht bloß dem Klang der Worte lauschen, nicht gedanklich auf einzelne Phrasen reagieren und im Kopf das eigene Ding machen. Sondern zuhören, als sei dieser Mensch der wichtigste der Welt und das, was er zu sagen hat, überlebensnotwendig. Er fühlt sich ernst genommen und wohl in dem Raum, den wir ihm geschaffen haben. Und wir werden mit Sicherheit lernen. Das vertieft unsere Verbindung zu anderen – und zu uns selbst. Denn ein achtsames Miteinander schafft Platz zum gemeinsamen Aufblühen und Wachsen.
Autorin Ines Bresler
Ines Bresler ist Journalistin und lebt in Bonn. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit Yoga und Meditation. Bei Trekking Touren durch den Himalaja lernte sie Hintergründe und Wirkungen der buddhistische Lehre kennen. Seitdem übt sie in ihrem Alltag neben Asanas auch den achtsamen Umgang mit sich und anderen.
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